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Dialog und Bewegung ist das Motto der Figuren und Gemälde von Elke Teuber-S

Niemand bleibt allein und ohne Austausch

DERNEBURG. Auf dem Dach hockt eine weißbemalte Holzfigur und hält sich die Ohren zu, im Innern begrüßen „Bar-bara und Paul", ebenfalls aus Holz, die Besucher. Alle drei Gestalten sind Teil der neuen Ausstellung im Glashaus, in der Elke Teuber-S ihre bemalten Holz-figuren und Gemälde zeigt, die alle eins gemeinsam haben: Die Figuren treten immer paarweise auf, niemand bleibt allein und ohne Austausch - bis auf die Figur auf dem Dach, die vielleicht gerade deshalb so in sich gekehrt und isoliert wirkt.
Schlanke Doppeigestalten prägen das Bild im Innern des Glashauses. Da sind zunächst die „Zwillingsbrüder sitzend", eine reliefartige Holzplastik zweier Figu-ren, die, ohne auf einer Unterlage zu sitzen, sich ruhig gegeneinander stüt-zen. Ihre ineinander verschmolzenen Rücken geben sich gegenseitig das nötige Gleichgewicht und Vertrauen, die Gesichter sind dem Betrachter zuge-wandt und auch die großen schlanken Hände einladend geöffnet.

In ihrer etwas hilflos abwartenden Hal-tung sorgen die „Zwillingsbrüder" für eine optische Verwirrung: Sie bewegen sich nämüch genau auf der Grenze zwischen gemaltem Bild und dreidimen-sionaler Figur, so daß das Auge diesen Effekt nicht einzuordnen weiß und meint, ein Bild zu sehen, das aus dem Rahmen springt. So entsteht bei aller Ruhe der Figur eine Bewegung auf den Betrachter zu, und die „Zwillings-brüder" fangen an zu leben. Im gleichen Reliefstil sind die „Kopflinge" gehalten: überlange wie aus dem Boden gewachsene Figuren mit leicht geschwungenem Körper und langen nach unten hängenden Armen. januskopf

Zwischen den breiten Schultern der in rosa-rot gehaltenen Figur befinden sich zwei aufeinander zugeneigte Köpfe. Die leuchtend rote Figur besteht dagegen zwar aus zwei Körpern, deren ineinander verschränkte Ar­me aber den Eindruck eines gemeinsamen Körpers aufkommen lassen.
Neben dieser inneren Verdoppelung einer Figur zeigt Elke Teuber-S auch Paare, die allerdings in vollplastischer Ausführung. „Barbara", rote Haare, runde Formen, geschlossene Augen und geöffnete Hände zeigt sich zusammen mit ihrem Mann „Paul" - beide in rotviolett, beziehungsweise gelbviolett gefleckter Abendgarderobe. Ihre Haltung und ihre Ausstrahlung vermitteln einen zeitlosen Moment ihres Lebens, ein stehengebliebener Augen-blick konzentrierten Lebensgefühls.
„Eva und Adam" sind dagegen nackt und ihre hängenden Arme sprechen von Hilflosigkeit und Ausgeliefertheit, eine traurig-ergebene Haltung kurz nach dem Sündenfall. „Adam und Eva" präsentieren sich dagegen wiederum in schicker Abendgarderobe, ihre Posen sind bestimmt: der Mann mit verschränkten Armen und die Frau mit ausgestreckten Zeigefingern. Sie scheinen nur noch wenig von ihrem Ursprung zu wissen oder wollen sich nicht erinnern. Auch auf den Zeichnungen und Gemälden beschäftigt sich Elke Teuber-S mit dem gleichen Thema. Auf einer Serie von sieben mit viel Leichtigkeit und freiem Raum gezeichneten Bildern deuten die schnellen Striche immer nur den Körper an, die Köpfe gehen in ihren Strichlagen oft ineinander über und zeigen vielerlei Arten von Begegnungen,Gemeinsamkeiten und Tren-nungen. Auf den großen Gemälden sind die roten Gestalten voll dynamischer Bewegung und scheinen aus sich heraus-zufahren, mit etwas zu verschmelzen und sich Neuem entgegenzustrecken.

adam + eva

 

eva + adam

Die Arbeiten von Elke Teuber-S haben Stil. Stil ist dabei nicht nur das unver-wechselbare Äußere, sondern vor allem die Schaffung eines Mikrokosmos', der seinen eigenen Gesetzen gehorcht. Zwischen den Figuren und den Bildern bewegt man sich voller Andacht und hat beinahe Angst, ihnen näherzutreten. Sie haben ihr eigenes Leben in sich und sind nicht bloße Abbilder einer künstlerischen Intention.
Sie lassen sich nicht auf eine bestimmte Aussage hin festlegen, auch wenn es genügend Deutungen der immer wieder-kehrenden Verwendung der Doppelfigur geben mag. Der Dialog, der innerhalb dieser Figuren angelegt ist, springt auch auf den Betrachter über und setzt seine Gedanken und Phantasien frei. Ungefähr so, als würde man an einem schönen Sommerabend sich in ein ruhiges Selbst-gespräch vertiefen.

Elke Teuber-S, Jahrgang 1948, ist seit 1983 als freischaffende Grafikerin, Illu-
stratorin und Künstlerin in Kaufungen/ Kassel tätig. Seit 1979 hat sie ihre Arbeiten in vielen Einzel- und Gruppen-ausstellungen präsentiert und unter anderem 1988 den 1. Preis des Rosenthal-Wettbewerbs „Faszination" gewonnen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen in der Raumge staltung sind auch in die einfühlsam inszenierte Ausstellung im Glashaus, die noch bis zum 28. April zu besichtigen ist, eingeflossen.

Martin Ganzkow-Bal,
Hildesheimer Zeitung, 14.April 1991

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