 
Der direkte Blick  - Aug’ in Aug’, frontal
              Zu den  Photographien von Elke Teuber-S. 
      Wenn E.T.S.  photographiert, hat sie Bilder von mythischen Frauenfiguren im Kopf: Sie sieht  Lilith, die Königin von Saba, Maria, Judith, Salomé, Cassandra. 
      Wie die Königin von Saba einst, die auf ihrer Suche nach  Vollkommenheit akzeptierte, daß sie an die Weisheit von König Salomon nur durch  das Hinterfragen ihrer eigenen Person in der Differenz der Geschlechter sich  annähern kann, sucht E.T.S. nach der inneren Wahrheit, letztlich nach dem  Paradies. Es geht ihr um das Erkennen der beiden Teile: Anima und Animus, Ying  und Yang in einem selbst im Wechselspiel des Lebens. Ihre Vorbilder waren dem  selben Wechselprozeß ausgesetzt, erkannten ihn und nahmen ihn an. Der  jahrtausende alte Mythos um die genannten Frauenfiguren ist ihr nah, sie hat  ihn studiert, gesucht und gefunden in Wort und Bild. Es geht um die Handlung:  Das vorbildliche Betragen oder das Verwerfliche ihrer Selbstbehauptung.  Behauptet haben sie sich alle, das war ihre Stärke. Diese, ihr Kennzeichen,  rückt sie uns heute noch nah. Wir erwarten von ihnen geradezu Zeichen. 
      Die Künstlerin  E.T.S. hat das Thema der starken Frauen bereits künstlerisch umgesetzt in Blei,  Tempera, in Gold und Silber, auf Papier und Leinwand, sie hat sie plastisch  umgesetzt, in Holz gehauen, geschnitzt, gesägt, gefeilt. Sie zeigt sie zart,  detailreich und umfassend; roh, ausschnitthaft; sie war ihren Frauen auf der  Spur. Ihre neue Werkgruppe von Schwarz-Weiß-Photographien bringt das Jetzt unmittelbar  in ihr Werk. 
      Der direkte Blick  - Aug’ in Aug’, frontal 
        E.T.S. wünscht  den direkten Blick ihrer Frauen in die Kamera. Sie will, daß Frau sich stellt,  daß sie nicht ausweicht, sie sucht die starke Frau. Es entsteht ein doppeltes  Portrait: Das Selbstportrait als Abbild - ein imaginäres Spiegelbild. Der  direkte Blick in die Kamera = Auge des Betrachters wirkt suggestiv. Anders als  der abgewandte, der Blick aus dem Bilde bei Profilaufnahmen und Schattenrissen,  konfrontiert er. 
      Direkte Blicke  im Abbild sind uns bekannt. Sie stehen archaisch vor uns, wie in den  ägyptischen Mumienbildern, wie in mykenischer Skulptur, in gemalten Portraits  und Selbstportraits. Sie treffen uns und machen uns befangen.  
        Der wache,  direkte Blick wird vom Betrachter als der wachende, auch kontrollierende Blick  gedeutet. Spricht er zu oder lehnt er ab? Er enthüllt im Betrachter  gleichzeitig ein physisches und ein psychisches Moment. Dies liegt, wie Alfred  Neumeyer  konstatiert, in der Empfindung  des Rezipienten: „Versteht man den Drang nach Raumerweiterung und körperlicher  Sinnfälligkeit ästhetisch und psychologisch als Vorbedingung illusionistischer  Tendenzen in der abendländischen Kunst, so ist die aus dem Bilde blickende  Figur deren menschliches Ausdruckssymbol“.  
      E.T.S. sucht nicht  die Maske oder Clownerie, sie will die Präsenz der photographierten Frau  wiedergeben. Ihr photographisches Auge benutzt nicht die Doppelbelichtung. Sie  manipuliert ihr Sujet nicht zum abstrakten Bild, wie es z.B. Katharina  Sieverding in ihren Arbeiten mit Mitteln der Verfremdung  wie Doppelbelichtung, Überblendung,  Farbaufträge versucht, um u. a. die Absage an die “Ideologie des objektiven  Bildes“ zu betreiben. Auch sieht E.T.S. das Portrait nicht als „Gesichtslandschaft“,  als Porenfeld, in dem Sinne wie Thomas Ruff mittels überdimensionaler  Vergrößerung seine Köpfe wiedergibt. Sie inszeniert ihre Bilder nicht wie Cindy  Sherman, ihre Frauen sind nicht in Szene gesetzt und kostümiert. Allerdings  fordert sie ihre Frauen auf, direkt in die Kamera zu sehen. Und sie geht nah an  das Gesicht heran, um die Ausstrahlung der Person in unmittelbarer Direktheit  festzuhalten. Sie ist bei ihrer Dokumentation dicht an der Person. 
        Die  Schreibweise ihrer Portraitphotos ist auf das Selbst, das Eigene der  vorgestellten Person bezogen. Dazu sucht sie ihre Frauen, die sie aus  verschiedenen Lebenszusammenhängen kennt, in ihrem eigenen Milieu auf. Sie  photographiert sie in ihrem Umfeld, versucht Typisches in das Kopfportrait als  Hintergrundinformation mit einzubeziehen. Die Portraitierte zeigt somit  Attribute ihrer eigenen Welt: Blume, Schmuck, Sammlerstücke u. a. 
  Gegenüberstellung  
        Die von ihr  portraitierte Frau wird jedoch doppelt gezeigt, unverschleiert und  verschleiert, sie tritt uns als doppeltes Wesen gegenüber, einmal im Jetzt und  einmal nebulös und unscharf.  
        Verschleiert  ist sie unserer physischen Wahrnehmung entrückt, sie fordert uns auf, sie zu  suchen, doch dann schrecken wir vor ihrem direkten Blick zurück. Will sie uns  verführen? Der Voyeur flackert in der Phantasie des Betrachters auf. Die  Transformation von „besetzten“ Personen kann somit den Denkraum des Betrachters  erschließen. 
      Schwarz-weiß-Photographie als archaische Form  
        Das Medium des  schwarz-weißen Photos kommt dem Vorhaben von E.T.S. entgegen. Sie hat den Umgang  damit akademisch gelernt und sie geht auch mit ihren Aufnahmen ins eigene  Labor. Ihre angefertigten Abzüge brauchen kein Großformat. Die Größe von  16  x 16 Zentimetern auf mattem  Photokarton findet sie optimal.  
      Die Spur  
        E. T. S. weiß  um die Bedeutung der Photographie, die wie Gisèle Freund es formulierte, nicht  nur allein in der Tatsache besteht, „daß sie eine Schöpfung sein kann, sondern  darin, daß sie einer der wirksamsten Mittel zur Formung unserer Vorstellungen  und zur Beeinflussung unseres Verhaltens darstellt“ und daß die „von der Kamera  gesehene Natur anders (ist) als die Natur, die das menschliche Auge wahrnimmt.  Doch die Kamera beeinflußt unsere Sehweise und schafft die neue Sicht“. Das photographierte Abbild der Frau wird somit zum  Sinnbild. Es handelt sich um Spurensicherung, die Suche nach dem Zusammenhang  von Gestern und Heute. Dem Betrachter   wird anheim gestellt, ob er diesen nachvollziehen will. 
    Anne  Feuchter-Schawelka         |